Jati taxidevis? - Warum reist du?

von Klaus Thomas

Grad zweifle ich mal wieder, ob der Nutzen den der Tourismus Griechenland gebracht hat tatsächlich den angerichteten Schaden aufwiegt.
Da kommt mir diese Frage in den Sinn: „Jati taxidevis? - Warum reist Du?“ Gestellt von einem etwa sechsjährigen Jungen in seinem Heimatdorf in den griechischen Bergen, der sich schlicht wunderte, was ich Fremder da wollte. Eine unschuldige, nicht voreingenommene, freundlich gestellte Frage, nur vom Bedürfnis hervorgebracht, etwas zu verstehen, was ihm unverständlich ist.
Warum habe ich vor Verblüffung eine Weile überlegen müssen, um dann dümmlich zu stammeln: „Es gefällt mir ... Griechenland gefällt mir“?
Diese Antwort konnte ihm nicht genügen.  Natürlich muss man sein Dorf mögen. Er wird es sein Leben lang in seiner Seele tragen, wie alle, die hier geboren sind. Genauso wie die Bewohner des Nachbardorfs ihrem Ort verbunden sind.
„Gefällt es Dir nicht da, wo du wohnst?“
Zu sprachlos war ich für ein rechtfertigendes: „Doch, da auch“, saß grübelnd auf meinem Rucksack neben der staubigen Straße auf den Bus wartend.
Zwei kindliche Fragen setzen Gedanken frei. „Wenn Du nur Dich selbst suchen willst, dann bleib besser zuhause.“
In den Augen dieses Jungen ist der Weitgereiste weniger zu bewundern, als zu bedauern, ob seines Getriebenseins.

Ich habe gestandene Griechen kennengelernt, die die Welt gesehen hatten. Sie mussten nach Übersee, weil sie zuhause in ihrem kleinen Inseldorf keine Möglichkeit hatten ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie haben jahrelang in New York oder Sydney gearbeitet. So oft ihr schmales Einkommen es zuließ, nicht häufiger als alle paar Jahre, besuchten sie ihr Heimatdorf.
Dann begann der Tourismus, der schliesslich auch ihr Dorf erreichte. So seltsam es ihnen erschien, dass es freiwillig Reisende
gibt, die offenbar zum Vergnügen ihr Zuhause verlassen, so sehr begrüssten sie dieses merkwürdige Phänomen, bescherte es ihnen doch eine Perspektive in der Heimat zu arbeiten und zu leben. Sobald eine verbesserte Einkommenssituation zu erahnen war, kehrten sie heim in ihr Dorf. Haben es nur mal verlassen, um irgendwo Freunde zu besuchen, manchmal, wenn die Saison vorbei war. Nicht jedes Jahr. Man möchte schließlich auch den Winter zuhause erleben. Wenn sie ein paar Tage „in der Fremde“ waren, hatten sie Heimweh, nein die „Fernkrankheit“. Natürlich wußten sie, dass ihr Dorf keine Idylle ist, aber sie konnten sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben.

© Klaus Thomas 2009


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